14.07.2023
High-Performance-Team-Retrospektive
Die High-Performance-Team-Retrospektive verlässt den klassischen Aufbau einer Retrospektive, um durch Abwechslung neue Impulse zu setzen.
Wie formen wir aus unserer Gruppe ein Team? Wie kann unser bereits gutes Team noch besser werden? Bei der Beantwortung solcher Fragen kann eine High-Performance-Team-Retrospektive helfen.
Wie formen wir aus unserer Gruppe ein Team? Wie kann unser bereits gutes Team noch besser werden? Bei der Beantwortung solcher Fragen kann eine High-Performance-Team-Retrospektive helfen.
Die High-Performance-Grundidee
Viele Retrospektiven laufen nach den von E. Derby und D. Larsen beschriebenen fünf Phasen von „Ankommen“ über „Daten erheben“ bis hin zum „Abschluss“ ab und analysieren die Vergangenheit, um Verbesserungen für die Zukunft zu erarbeiten. Der Ansatz der High-Performance-Team-Retrospektive verlässt diesen Grundaufbau. Über die gemeinsame Definition eines Soll-Zustandes können die nächsten notwendigen Schritte auf dem Weg zu einem High-Performance-Team von den Teammitgliedern identifiziert und geplant werden. Diese Retrospektiven-Methode setzt neue Impulse, indem sie Abwechslung zu den gewohnten Phasen bietet und mit dem Ziel einer erhöhten Teamleistung den Blick bewusst nach vorne richtet.
Vorbereitung für das High-Performance-Team
Die Methode basiert auf verschiedenen Fragestellungen, die von jedem Teilnehmer beantwortet werden, um ein gemeinsames Bild zu entwickeln. Daher sind ausreichend viele Moderationskarten, Stifte und Platz für Visualisierungen notwendig:
- 3 (Metaplan-)Wände oder Flipcharts mit Papier
- ausreichend Moderationskarten
- Klebepunkte
- Stifte für alle Teilnehmer
Auf einer Metaplanwand sollte eine Skala von 1 bis 10 vorbereitet werden.
Ablauf der Methode
Für die Durchführung haben sich fünf moderierte Schritte bewährt:
SCHRITT 1: TRANSPARENZ SCHAFFEN
Zum Einstieg erfolgt eine schnelle Bestandsaufnahme der aktuellen Team-Situation. Hierzu dient folgende Fragestellung: „Auf einer Skala von 1 (moderat) bis 10 (hervorragend), wie bewertest du dein aktuelles Team?“ Jeder Teilnehmer schreibt nun seine Antwort für sich auf einen Klebepunkt. Wenn alle ihre Klebepunkte beschriftet haben, kleben die Teilnehmer ihre Punkte an die entsprechende Stelle neben der Skala. Bei der Anmoderation empfiehlt es sich daher zu betonen, dass jeder seine eigene, subjektive Einschätzung entwickeln und diese kennzeichnen sollte.
Nachdem alle Teilnehmer ihre Einschätzung markiert haben, lädt der Moderator zu einem kurzen Austausch ein: „Wie interpretiert ihr das Ergebnis? Was hat euch überrascht?“ Primär geht es hierbei um eine kurze Auseinandersetzung, die die Emotionen und die Eindrücke der Teilnehmer für alle transparent machen soll. Der stattfindende Austausch leitet dann über in die nächste Phase.
SCHRITT 2: BLICK IN DIE ZUKUNFT
Im zweiten Schritt beantworten die Teilnehmer die Fragen „Was gehört für euch alles zu einem High-Performance-Team? Woran erkennt ihr ein High-Performance-Team?“ Die Teilnehmer schreiben nun in einer gemeinsamen Brainstorming-Session die Inhalte auf und sammeln sie an einer Metaplanwand. Zunächst sollte dies wertungsfrei geschehen, um das freie Denken nicht einzuschränken. Falls nötig, kann der Moderator mit Impulsen wie „Denkt an Eigenschaften wie Verhalten, Kommunikation, Organisation…“ unterstützen. Sollte die Gruppe zu groß für eine gemeinsame Brainstorming-Session sein, so kann dieser Schritt auch in Kleingruppen oder als Einzel-Brainstorming durchgeführt werden.
Nachdem die Rückmeldungen gesammelt, vorgestellt und erläutert wurden, gilt es, ein gemeinsames Verständnis aller Teilnehmer herzustellen. Hierzu leitet der Moderator über die Fragestellung „Welche der hier genannten Inhalte gehören zu eurem gemeinsamen Verständnis eines High-Performance-Teams?“ ein. Unklarheiten können mit der Frage „Bei welchen Punkten gibt es noch Fragen?“ nachgeschärft oder ggf. aussortiert werden. Ziel ist es, nur solche Inhalte zu behalten, bei denen das Team ein gemeinsames Verständnis entwickelt und keiner der Teilnehmer ein Veto eingebracht hat.
SCHRITT 3: BLICK AUF DIE GEGENWART
Im Anschluss an das gemeinsam erarbeitete Team-Bild leitet der Moderator zum nächsten Schritt über. Hier gilt es zu identifizieren, was das aktuelle Team und seine Mitglieder bereits mitbringen. Beginnend mit der Fragestellung „Was sind Eigenschaften eines High-Performance-Teams, die ihr heute bereits mitbringt?“ werden Beiträge an einer weiteren Metaplanwand gesammelt. Hier soll vor allem eine positive Grundstimmung und ein Bewusstsein für das bereits Erreichte erzeugt werden.
SCHRITT 4: BESCHLEUNIGUNG IN RICHTUNG HIGH-PERFORMANCE
Zum jetzigen Zeitpunkt in der Session kennt das Team seine Ausgangslage und hat ein gemeinsames Verständnis von einem High-Performance-Team. Nun geht es darum, Ideen und Maßnahmen zu generieren. Dabei hilft die Fragestellung: „Was muss geschehen, damit ihr eurer Definition eines High-Performance-Teams näherkommt?“ Diese Ideen und Maßnahmen werden auf einer Metaplanwand gesammelt und später per Dot-Voting priorisiert und anschließend ausgewählt und verteilt.
Tipps und Hinweise
- Die Sinnhaftigkeit dieser Methode ist nur dann gegeben, wenn für das Team notwendige Rahmenbedingungen vorhanden sind.
Hierzu zählen unter anderem eine gemeinsame Vision und das Commitment der Organisation auf Stabilität sowie Langlebigkeit des Teams. - Die Methode lebt von der Formulierung der klaren Anmoderation der Fragestellung.
- Der Ansatz dieser Methode ist stark vorwärts orientiert, sprich mit Blick auf die Zukunft gerichtet. Insbesondere wenn Teilnehmer die Struktur nach Derby und Larsen (siehe [1]) gewohnt sind, kann die Ausrichtung auf die Zukunft zu Verwirrung führen. Sie könnten sich beispielsweise fragen, wann sie bedrückende Themen aus dem aktuellen Sprint anbringen sollen. In diesen Fällen empfiehlt es sich, eine entsprechende Session außerhalb einer Retrospektive durchzuführen oder innerhalb einer längeren Release-Retrospektive zu verorten.
- Sollte im Rahmen der ersten Skalierungsfrage im Schritt 1 eine überdurchschnittliche Bewertung herauskommen (bspw. größer als neun), so kann die Frage im Schritt 4 folgendermaßen angepasst werden: „Was fehlt euch als Team, um auf eine zehn zukommen?“
- Es kann vorkommen, dass sich einige Teilnehmer mit der Beantwortung der Frage „Was zeichnet ein High-Performance-Team aus?“ schwertun. Existieren trotz der oben genannten Impulse durch den Moderator (Schritt 1) wenige Ideen, so kann der Moderator auch folgende inverse Frage formulieren: „Woran erkennt ihr ein nicht performantes Team?“ Basierend auf diesen Ergebnissen werden dann die positiven Eigenschaften eines Teams definiert.
- Das Ergebnis, sprich die Definition eines High-Performance-Teams, kann quartalsweise oder halbjährlich mit der aktuellen Team-Entwicklung verglichen werden, um einen Verlauf zu skizzieren und weitere Maßnahmen zu identifizieren.
- Neben konkreten Maßnahmen für den nächsten Sprint kann auch direkt der Team-Codex erweitert werden.
Blogreihe zu Retrospektiven
Dieser Artikel ist Teil unserer Blogserie, in der wir Praxiserfahrungen und Hintergrundwissen zu Retrospektiven und bewährten Methoden teilen möchten. Folgende Teile sind bereits erschienen oder erscheinen in den nächsten Tagen:
Teil 1: Retrospektiven – Team-Beschleunigung hoch zwei
Teil 2: Maßnahmen, die verändern und den Wirkungsgrad von Retrospektiven erhöhen
Teil 3: Heute schon gemuckert? Mucker-Karten-Retrospektive
Teil 4: Lean Coffee – Zeit für ein gutes Gespräch
Teil 5: 5 Tipps für eine effektive Retrospektive
Teil 6: High-Performance-Team-Retrospektive
Teil 7: Effektive Retros mit der 4G-Methode
Teil 8: Open-the-Box-Retrospektive
Teil 9: Halloween-Retrospektive in 5 Schritten
Teil 10: Alle Jahre wieder: Die Nikolaus-Retrospektive
Teil 11: Retrospektiven Abschluss
Autor:Innen
Impulse & Erfahrungsberichte aus unseren Projekten
Sie suchen Inspiration? Zu diesen Themen haben wir Impulse für Sie gesetzt: