05.07.2023
Lean Coffee – Zeit für ein gutes Gespräch
Wie Sie effektiven Wissensaustausch und Meeting-Zufriedenheit durch strukturierte Diskussionen fördern, erfahren Sie in diesem Beitrag.
Ein gut strukturierter Wissensaustausch ist nicht nur für agile Teams essenziell. Mit einem einfachen Grundkonzept und Potenzial für Variationen ist das leichtgewichtige Lean-Coffee-Format eine Methode für Einsteiger und Fortgeschrittene. In diesem Artikel stellen wir das Format zusammen mit ein paar bewährten Erweiterungen vor, sodass es beispielsweise auch für Retrospektiven genutzt werden kann.
Ein gut strukturierter Wissensaustausch ist nicht nur für agile Teams essenziell. Mit einem einfachen Grundkonzept und Potenzial für Variationen ist das leichtgewichtige Lean-Coffee-Format eine Methode für Einsteiger und Fortgeschrittene. In diesem Artikel stellen wir das Format zusammen mit ein paar bewährten Erweiterungen vor, sodass es beispielsweise auch für Retrospektiven genutzt werden kann.
Themenauswahl und Fokussierung
Die Grundidee von Lean Coffee ist recht einfach. Zum einen gilt es, Themen zu besprechen, die für die anwesenden Teilnehmer aktuell und relevant sind. Zum anderen soll während der Diskussion immer wieder bewusst entschieden werden, ob selbige noch ergiebig ist oder man zum nächsten Thema übergehen sollte.
Was braucht man?
Abgesehen von Teilnehmern mit Gesprächsbedarf braucht es nicht viel. Ein paar Stifte und Zettel würden ausreichen. Empfehlen würden wir Folgendes:
- Klebezettel
- Dickere Stifte, die auch aus der Entfernung gut lesbar sind
- Flipchart
- Klebepunkte
- Zeitgeber
Als Zeitgeber reicht schon ein Handy oder eine Eieruhr. Wer möchte, kann sich natürlich auch einen schicken Timer zulegen.
Auf dem Flipchart werden drei Spalten „Offen“, „In Diskussion“ und „Erledigt“ eingezeichnet. Zu Beginn ist die klassische Variante ausreichend. Im weiteren Verlauf des Artikels werden zwei bewährte Erweiterungen vorgestellt, die sich in unserem Alltag bewährt haben.
Tipp: Am Ende des Artikels findet sich eine Vorlage zum Herunterladen, die auch direkt ausgedruckt und genutzt werden kann.
Erklärung des Formats
Wie funktioniert nun eine Lean-Coffee-Session? Denkbar einfach.
1. Themensammlung
In einer vorher festgelegten Timebox – beispielsweise drei Minuten – schreibt jeder Teilnehmer die Themen, die er diskutieren möchte, auf bereitgestellte Klebezettel.
2. Themenvorstellung und Priorisierung
Jeder Teilnehmer klebt seine Themen in die Spalte „Offen“ und erklärt dabei ganz kurz, was gemeint ist. Danach werden verwandte Themen zusammengeklebt und jeder Teilnehmer darf einen Punkt auf das Thema kleben, das er am dringendsten besprechen möchte. Die Themen werden nun entsprechend ihrer Punktzahl priorisiert.
3. Diskussion
Los geht’s! Das erste Thema wird in die Spalte „In Diskussion“ gehängt und eine Timebox gestartet. Es empfiehlt sich, den Autor des Zettels nochmal erklären zu lassen, was mit dem Thema gemeint ist und welche Fragen oder Perspektiven er damit verbindet.
4. Timebox und Voting
Ist die Timebox abgelaufen, wird die Diskussion gestoppt und die Runde gefragt, ob sie eine weitere Timebox in das Thema investieren möchte. Wenn nicht, wird die Karte auf „Erledigt“ und die nächste Karte aus „Offen“ in die Spalte „In Diskussion“ gehängt. Die nächste Timebox wird gestartet.
5. Ende des Formats
Sind keine weiteren Themen oder Zeit mehr vorhanden, ist auch die Lean-Coffee-Session beendet. Noch nicht behandelte Themen werden in diesem klassischen Format nicht aufgehoben, da man davon ausgeht, dass wichtige Themen bei der nächsten Session von sich aus wieder aufkommen.
Timeboxen & Time Keeper
Die Länge der Timeboxen sollte bereits zu Beginn der Lean-Coffee-Session feststehen und nicht „unterwegs“ variiert werden. Ein guter Standard sind zehn Minuten. Je nach Gruppe und Erfahrung können aber auch deutlich kürzere Timeboxen von acht oder fünf Minuten genutzt werden.
Sollte sich eine Gruppe mit dem „überraschenden“ Ablaufen des Zeitfensters schwertun, dann empfehlen wir gerne eine 6+2 oder 8+2 Timebox. Dabei lässt man den Zeitgeber nach sechs bzw. acht Minuten ein erstes Mal klingeln und gibt den Hinweis, dass noch zwei Minuten verbleiben. Nach Ablauf der verbliebenen zwei Minuten fällt es den Teilnehmern dann in der Regel leichter, zum Ende zu kommen.
Damit das Format seine Wirkung entfalten kann, empfehlen wir zu Beginn eine Person als Time Keeper zu bestimmen. Dieser hat die Aufgabe, die Gruppe recht stringent auf die abgelaufenen Timeboxen hinzuweisen und die Themensammlung, Priorisierung und das Voting zu moderieren.
Die Rolle des Time Keepers ist mit verschiedenen Herausforderungen verbunden. Damit die Gruppe ein gemeinsames Verständnis davon entwickelt, empfiehlt es sich den Time Keeper innerhalb der Gruppe und zwischen zwei Lean-Coffee-Sessions zu wechseln. Zudem kann dies die Disziplin in Meetings fördern.
Voting
Das Voting am Ende einer Timebox wird offen und per Handzeichen durchgeführt, um möglichst leichtgewichtig zu agieren. Typischerweise wird ein Roman-Voting genutzt. Dabei geben alle Teilnehmer eines der folgenden Handzeichen wie im alten Rom:
- Daumen hoch: Eine weitere Timebox auf das Thema investieren
- Daumen runter: Nächstes Thema
- Daumen zur Seite: Ich gehe mit der Gruppe
Die Anzahl der Daumen nach oben bzw. unten bestimmt nun, ob man eine weitere Timebox lang über dasselbe Thema spricht oder zum nächsten wechselt. Bei einem Unentschieden besteht bspw. die Möglichkeit, das Voting ohne die Option der Enthaltung zu wiederholen, um zu einem Ergebnis zu kommen.
Lean-Coffee-Erweiterung für Retrospektiven
Wir nutzen Lean Coffee hin und wieder gerne in Retrospektiven. Zum einen bringt das Format Abwechslung zum Standardschema für Retrospektiven. Zum andern ist es für Teams leicht zu lernen und dadurch auch für andere Meetings zu übernehmen.
Dabei bringen wir zwei Erweiterungen ein:
- Statement-Box
- Maßnahmen-Spalte
Erfahrungsgemäß haben Team-Mitglieder in Retrospektiven hin und wieder den Bedarf, Aussagen zu formulieren, für die gleichzeitig kein Diskussionsbedarf besteht. Beispielsweise, dass ihnen ein Review sehr gut gefallen hat oder dass sie von dem Zusammenhalt der Gruppe begeistert sind. Hierfür bieten wir eine Statement-Box, in der die Teilnehmer während der Themenvorstellung ihre Statements platzieren und formulieren können. Zusätzlich gibt es der Moderation während des Clusterns die Möglichkeit, Themen, die keine Timebox benötigen, zu identifizieren und ebenfalls in die Statement-Box zu überführen.
Als zweite Erweiterung ergänzen wir eine Spalte „Maßnahmen“. In dieser Spalte finden Maßnahmen einen Platz, die während der Diskussion identifiziert werden. Es hat sich bewährt, zum Abschluss der Retrospektive, sprich nach den Diskussionen, eine weitere Timebox zur Priorisierung der Maßnahmen und für ein Commitment zur Umsetzung vorzusehen. Auf die Identifikation der Maßnahmen kann der Time Keeper während der Diskussion achten, falls diese nicht automatisch aus dem Teilnehmerkreis entstehen.
Damit die Gruppe am Ende der Retrospektive nicht vor vielen Ideen ohne Fänger steht, empfiehlt es sich, schon bei der Identifikation der Maßnahme eine treibende Person festzuhalten. Die empfohlene abschließende Timebox bietet die Möglichkeit, diese Person gegebenenfalls nochmal zu wechseln oder Maßnahmen herunter zu priorisieren, wenn zu viele Aufgaben bei dem gleichen Teilnehmer gelandet sind.
Über 10 Jahre Kaffee
Entstanden ist Lean Coffee 2009, als Jeremy Lightsmith und Jim Bensen auf der Suche nach einem leichtgewichtigen Format zum Wissensaustausch waren. Hierbei sollte eine lockere Atmosphäre und gleichzeitig eine effektive Diskussion die Motivation zum Austausch fördern. Die Kombination aus wenigen Regeln (Lean Thinking), der gemeinsamen Themenwahl durch die Anwesenden (World Café) und die strukturierte, priorisierte Behandlung der Themen (Personal Kanban) führte zu dem heute als Lean Coffee bekannten Format. In Köln gibt es beispielsweise den Lean-Coffee-Cologne-Ausläufer mit Stand heute über 300 Treffen bei wechselnden Unternehmen.
Blogreihe zu Retrospektiven
Dieser Artikel ist Teil unserer Blogserie, in der wir Praxiserfahrungen und Hintergrundwissen zu Retrospektiven und bewährten Methoden teilen möchten. Folgende Teile sind bereits erschienen oder erscheinen in den nächsten Tagen:
Teil 1: Retrospektiven – Team-Beschleunigung hoch zwei
Teil 2: Maßnahmen, die verändern und den Wirkungsgrad von Retrospektiven erhöhen
Teil 3: Heute schon gemuckert? Mucker-Karten-Retrospektive
Teil 4: Lean Coffee – Zeit für ein gutes Gespräch
Teil 5: 5 Tipps für eine effektive Retrospektive
Teil 6: High-Performance-Team-Retrospektive
Teil 7: Effektive Retros mit der 4G-Methode
Teil 8: Open-the-Box-Retrospektive
Teil 9: Halloween-Retrospektive in 5 Schritten
Teil 10: Alle Jahre wieder: Die Nikolaus-Retrospektive
Teil 11: Retrospektiven Abschluss
Autor:Innen
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