30.06.2023
Scrum Master:in in Vollzeit? Ernsthaft? Ernsthaft!
Warum Scrum Master:innen nicht noch Luft für ein wenig Business Analyse haben!
Wenn wir mit Kunden oder Seminarteilnehmer:innen über die Rolle Scrum Master:in reden, dauert es meist nicht lange, bis die Frage nach dem Umfang der Tätigkeiten dieser Position auf den Tisch kommt. Braucht man wirklich Scrum Master:innen in Vollzeit? Was macht diese Person denn den ganzen Tag? Und ist wirklich keine Luft mehr für ein bisschen Business Analyse oder Java-Entwicklung nebenbei? Solche Fragen mögen darin begründet sein, dass die Rolle von Scrum Master:innen unter den Scrum-Rollen die am wenigsten greifbare ist. Der vorliegende Artikel gibt einen Überblick über die Vielzahl der Aufgaben und Verantwortlichkeiten von Scrum Master:innen und findet Antworten auf die gestellten Fragen.
Wenn wir mit Kunden oder Seminarteilnehmer:innen über die Rolle Scrum Master:in reden, dauert es meist nicht lange, bis die Frage nach dem Umfang der Tätigkeiten dieser Position auf den Tisch kommt. Braucht man wirklich Scrum Master:innen in Vollzeit? Was macht diese Person denn den ganzen Tag? Und ist wirklich keine Luft mehr für ein bisschen Business Analyse oder Java-Entwicklung nebenbei? Solche Fragen mögen darin begründet sein, dass die Rolle von Scrum Master:innen unter den Scrum-Rollen die am wenigsten greifbare ist. Der vorliegende Artikel gibt einen Überblick über die Vielzahl der Aufgaben und Verantwortlichkeiten von Scrum Master:innen und findet Antworten auf die gestellten Fragen.
Hüter:In Des Prozesses
Die Bezeichnung Scrum Master kommt aus dem Englischen. Auch wenn sie in der Regel nicht übersetzt wird, steckt hier die Bedeutung Scrum-Lehrmeister:in oder Scrum-Könner:in drin. Scrum Master:innen sind Expert:innen für Scrum und als solche zu allererst Hüter:in des Prozesses. Sie machen dem Scrum-Team Rollen, Events und Artefakte des Scrum-Frameworks bewusst und achten auf die Einhaltung des Prozesses. Außerdem treiben sie die nutzenstiftende Ausgestaltung des Prozesses für das Team. Dafür erörtern sie mit dem Team das Warum?, erläutern Hintergründe und helfen so dem Team, sich innerhalb des Rahmenwerks zu verbessern.
Servant Leader
Als Servant Leader führen Scrum Master:innen die Developer:innen lateral, d.h. ohne Weisungsbefugnis. Sie sind weder Vorgesetzte noch planen oder überwachen sie Arbeitspakete, sondern agieren als Coaches und fördern die Selbstorganisation des cross-funktionalen Teams.
Sie stellen sich dabei in den Dienst des Teams, sind da wenn sie gebraucht werden, haben ein offenes Ohr und versuchen dem Team das zu geben, was es gerade benötigt. Voraussetzung dafür ist ein echtes Interesse an den beteiligten Personen sowie ein Verständnis für ihre individuellen Motivationen und Ziele. So helfen Scrum Master:innen dem Team, sein Potenzial zu entfalten und auf diese Weise nicht nur die eigenen, sondern auch die Ziele der Organisation zu erreichen. Darüber hinaus schützen sie das Team vor ungewollter Einflussnahme von außen.
Hindernisbeseitiger:In
Eine zentrale Aufgabe ist die Beseitigung von Hindernissen. Hindernisse können dabei vieles sein: fehlende oder unzureichende Infrastruktur, Tools, Fähigkeiten, aber auch Hindernisse im Bereich der Zusammenarbeit. Das profanste Hindernis, um das ich mich selbst einmal gekümmert habe war eine surrende Lampe über einem Arbeitsplatz, das größte Hindernis ein ausgewachsener Teamkonflikt. Diese Beispiele verdeutlichen die Bandbreite, in welcher Hindernisse für Einzelne oder das Team als Ganzes auftreten können.
Als Hindernisbeseitiger:in sorgen Scrum Master:innen für eine effektive Arbeitsumgebung und ermöglichen dem Team die Fokussierung auf die Produktentwicklung. Dabei müssen bzw. können sie nicht selbst alle Hindernisse aus dem Weg räumen, allerdings dafür sorgen, dass sie beseitigt werden.
Coach, Mentor:in und Lehrer:in
Bei der effektiven Ausgestaltung des Scrum-Frameworks betreiben Scrum Master:innen Wissensvermittlung, Mentoring und Coaching zugleich. Es ist eine Frage der Team- bzw. Organisationsreife, welchen dieser Hüte die Scrum Master:innen jeweils aufsetzen.
Als Lehrer:innen haben sie die Aufgabe, Wissen zu vermitteln und ein Verständnis für Agilität und Scrum zu schaffen, sowohl innerhalb des Teams als auch in seinem Umfeld. Diese Art des Wissenvermittlung ist eher frontal.
Wissensunterschiede sind aufzudecken und auszugleichen. Als Mentor:innen stehen die Scrum Master:innen dem Team beratend als Ansprechpartner zur Verfügung: nach Bedarf bringen sie Expertise, Erfahrung und Ideen ein – sowohl was Methodik angeht, als auch agile Entwicklungspraktiken. Sie schaffen Optionen und überlassen dem Team die Bewertung.
Als Coaches sorgen sie für nachgelagerte Wissensbildung und festigen Wissen über Beobachten, Spiegeln und gemeinsame Reflexion. Sie sorgen für die Entfaltung des vorhandenen Potenzials und unterstützen so den Erkenntnisgewinn und die Weiterentwicklung des Teams. Gleichermaßen helfen sie Product Owner:innen, ihre Rolle effektiv auszuüben, indem sie hilfreiche Techniken und Methoden wie Product Vision Canvas oder Value Poker für sie parat haben.
Animateur:in
Nicht selten sind Scrum Master:innen als Animateur:innen gefragt. Sie schaffen Raum für Teambuilding und persönliches Kennenlernen, insbesondere zu Beginn, und unterstützen so die Bildung von Vertrauen. Sie motivieren das Team, auch oder insbesondere dann wenn es mal nicht so gut läuft, stellen sicher, dass die beteiligten Personen sich wohlfühlen und sorgen für eine positive Grundstimmung.
Sie bringen Methoden ein, die für Abwechslung und Spaß sorgen. Durch die Erinnerung an gemeinsame Ziele schaffen sie Teamgeist und unterstützen die gemeinsame Übernahme von Verantwortung. All dies ist kein Selbstzweck, im Gegenteil. Es ist nicht zu unterschätzen, welchen Effekt positive Stimmung und Wohlbefinden auf die Leistungsbereitschaft bzw. -fähigkeit eines Teams haben.
Wächter:in der Werte
Selbstorganisation braucht Spielregeln. Als Wächter:innen der Werte helfen Scrum Master:innen dem Team, Vereinbarungen für die Zusammenarbeit zu treffen und einzuhalten. So unterstützen sie das Team z.B. bei der Aufstellung eines Teamkodex. Sie erinnern an Abmachungen und die Gründe dafür. Dabei gehen Scrum Master:innen in ihrer Vorbildfunktion stets mit gutem Beispiel voran und leben die vereinbarten Werte. Werden Werte verletzt oder Grenzen überschritten, zeigen sie dies auf und schreiten ein.
Moderator:in
Eine weitere zentrale und die vermeintlich offensichtlichste Aufgabe von Scrum Master:innen ist die Moderation. Gerade rund um den Sprintwechsel werden Scrum Master:innen in verschiedenen Events, zum Beispiel der Retrospektive, sichtbar. Im Begriff Moderation verbergen sich zwei Bedeutungen: zum einen das Moderieren von Meetings, zum anderen das Vermitteln zwischen unterschiedlichen Perspektiven, um eine Einigung zu erzielen. Häufig kommt beides zusammen.
Als Moderator:in ermöglichen Scrum Master:innen sinnstiftende Meetings und Events und haben hierfür stets Ziele, Agenda sowie die Timebox im Blick. Eine gute Vorbereitung der Ziele, des Ablaufs sowie der notwendigen Hilfsmittel ist unerlässlich, um Meetings für die Teilnehmer:innen effektiv zu gestalten.
Falls der Fokus verloren geht, ist es Aufgabe der Scrum Master:innen, diesen wiederherzustellen. Sie sorgen für eine sachliche, ausgeglichene und faire Diskussion und verhalten sich neutral gegenüber Inhalten und Personen. Dies gelingt tatsächlich am besten, wenn sie nicht Teil des Teams sind und ihre eigene Meinung zu besprochenen Themen aus der Diskussion heraus halten können. Im Konfliktfall, sei es teamintern oder -extern, vermitteln sie und versuchen, eine Einigung der Beteiligten zu erreichen.
Wegbereiter:in
Wenn das Team sich eingespielt hat und effektiv zusammenarbeitet, stößt es häufig in seinem Umfeld auf Hindernisse oder Grenzen, etwa weil der Rest der Organisation in eher klassisch geprägten Strukturen und Prozessen arbeitet oder weil die in der Organisation vorherrschenden Rahmenbedingungen iterativ-inkrementelles Arbeiten nur unzureichend unterstützen bzw. im schlimmsten Fall sogar behindern.
Hier sind die Scrum Master:innen als Wegbereiter:innen gefragt. Sie sorgen in diesem Fall für Transparenz über organisatorische Hindernisse und vermitteln der Organisation, welche Rahmenbedingungen für das Gelingen agiler Vorgaben nützlich sind. Gemeinsam mit weiteren Scrum Master:innen der Organisation sowie den verantwortlichen Stellen wie z.B. Personal, der Betriebsorganisation oder dem Releasemanagement stoßen sie notwendige Veränderungen an und schaffen so bessere Voraussetzungen für agile Teams.
Scrum Master:in zu sein, ist wirklich ein Vollzeit-Job
Diese Zusammenstellung zeigt wie vielseitig die Rolle von Scrum Master:innen ist. Umso wichtiger ist es, dass Scrum Master:innen nicht nur die benötigten Kompetenzen für diese Rolle mitbringen, sondern dass ihnen für die Ausübung der Rolle die benötigte Zeit zur Verfügung gestellt wird. Wenn man die Rolle ernst nimmt und nicht nur eine Teamassistenz darin sieht oder die Aufgabe der Moderation rund um den Sprintwechsel, ist es eine Vollzeitstelle – insbesondere für Teams, die sich gerade erst auf den gemeinsamen Weg machen.
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