18.07.2023
Soziokratie Basisprinzipien: Doppelte Kopplung
In diesem Artikel unserer Serie zu Soziokratie möchten wir das Prinzip der doppelten Kopplung vorstellen.

Um in Meetings zielführende und nachhaltige Entscheidungen zu treffen, die zudem wenig Widerstände hervorrufen und dafür mehr konstruktive Motivation zur Umsetzung freisetzen ist es wichtig, alle Perspektiven für Entscheidungen zu berücksichtigen. Dabei sind als wesentliche Perspektiven die unternehmerische und die der Mitarbeiter:innen zu benennen. Die unternehmerische Perspektive hat die strategische Entwicklung der Organisation und auch die Wirtschaftlichkeit im Blick. Die Perspektive der Mitarbeiter:innen bringt eine hohe Fachkompetenz, Erfahrung, Prozesswissen sowie oftmals direkte Rückmeldung der Kund:innen mit. Die doppelte Kopplung ist ein Ansatz der Soziokratie, um diese wesentlichen Perspektiven in Entscheidungskreisen präsent zu machen und in Entscheidungen mit einzubeziehen. Sie ist neben dem Prinzip der Kreisstruktur, der Entscheidung im Konsent und der offenen Wahl eines der vier Basisprinzipien der Soziokratie.
Um in Meetings zielführende und nachhaltige Entscheidungen zu treffen, die zudem wenig Widerstände hervorrufen und dafür mehr konstruktive Motivation zur Umsetzung freisetzen ist es wichtig, alle Perspektiven für Entscheidungen zu berücksichtigen. Dabei sind als wesentliche Perspektiven die unternehmerische und die der Mitarbeiter:innen zu benennen. Die unternehmerische Perspektive hat die strategische Entwicklung der Organisation und auch die Wirtschaftlichkeit im Blick. Die Perspektive der Mitarbeiter:innen bringt eine hohe Fachkompetenz, Erfahrung, Prozesswissen sowie oftmals direkte Rückmeldung der Kund:innen mit. Die doppelte Kopplung ist ein Ansatz der Soziokratie, um diese wesentlichen Perspektiven in Entscheidungskreisen präsent zu machen und in Entscheidungen mit einzubeziehen. Sie ist neben dem Prinzip der Kreisstruktur, der Entscheidung im Konsent und der offenen Wahl eines der vier Basisprinzipien der Soziokratie.
Funktion und Zweck der doppelten Kopplung

Die doppelte Kopplung sieht vor, dass jeder Kreis durch eine Kreisleitung (L) und eine:n Delegierte:n (D) im übergeordneten Kreis repräsentiert ist. Die Leitung übernimmt dabei die unternehmerische Perspektive und stellt hierzu im übergeordneten Kreis den Bezug zur Domäne des eigenen Kreises her. Delegierte (D) übernehmen die Sichtweise der Kreismitglieder des eigenen Kreises und vertreten deren Interessen. Die Leitung wird dabei vom übergeordneten Kreis und Delegierte durch die Wahl der Mitglieder im eigenen Kreis eingesetzt. Folgendes Bild veranschaulicht das Konzept anhand zweier Kreise, die doppelt mit einem übergeordneten Kreis verknüpft sind (siehe Abbildung 2).
Durch die doppelte Kopplung entsteht eine bidirektionale Verknüpfung zwischen einem übergeordneten und einem untergeordneten Kreis. Diese Dualität stellt sicher, dass keine Entscheidung im Konsent getroffen werden kann, die einen schwerwiegenden Einwand aus unternehmerischer Sicht oder aus der Perspektive der Kreismitglieder bedeuten würde. Die so implementierte doppelte Kopplung schafft also eine gleichberechtigte Balance der Sichtweisen aller Beteiligten und macht Entscheidungen tragfähiger. So achten Delegierte darauf, dass Entscheidungen zu Rahmenbedingungen durch die Leitung auch in der Praxis durch die Teammitglieder umgesetzt werden können. Auf der anderen Seite werden Delegierte eingeladen, die unternehmerische Sichtweise kennen zu lernen und so ggf. weniger Widerstände unternehmerisch sinnvollen Entscheidungen entgegenstellen.

Abb. 2: Zwei Kreise, die mit einem übergeordneten Kreis durch Delegierte (D) und Kreisleitung (L) doppelt verknüpft sind.
Im Nachgang einer Versammlung ist es die primäre Aufgabe der Delegierten den eigenen Kreis über die Ergebnisse zu informieren. Dieser Informationsprozess kann durch die Kreisleitung unterstützt werden, sodass das Risiko eines Informationsdefizits durch den natürlichen Filter jedes Menschen verringert wird. Die klare Zuordnung der Teilnehmer:innen und die angedachten Perspektiven der Leitung und der Delegierten macht es allen Mitglieder des Kreises leicht, Themen zu platzieren, da immer klar ist, an wen man sich mit einem Anliegen wenden kann. Es besteht eine hohe Klarheit und Orientierung, wer Themen im allgemeinen Kreis platzieren kann und wie eine Rückmeldung erfolgt.
Tipp: Um den Delegierten sowie der Kreisleitung die Informationsübermittlung an den eigenen Kreis zu erleichtern hilft es, dies anhand der protokollierten Inhalte zu tun. Haltet dazu einfach die Ergebnisse, Fragen oder Lösungen während des Meetings direkt in der Agenda fest, z.B. in einer separaten Spalte. So haben die Mitarbeiter:innen einen schnellen Zugang zu den Informationen und sind in der Lage, Fragen zu Inhalten zu stellen, die vielleicht nicht aktiv durch die delegierte Person oder die Kreisleitung angesprochen wurden.
Besondere Rolle von Delegierten in Kreisversammlungen

Die Rolle der Delegierten ist in den verschiedenen Phasen des Entscheidungs- bzw. Versammlungsprozesses sehr unterschiedlich geprägt. So startet der Entscheidungsprozess mit einem in der Agenda transparent gemachten Vorschlag, zu dem Delegierte die Meinung ihres Kreises aufnehmen. Diese Meinung tragen Delegierte dann in den allgemeinen Kreis. Aus dem Meinungsbild aller Kreisleitungen und Delegierten im allgemeinen Kreis heraus muss schließlich eine Entscheidung getroffen werden. In dieser Phase sind Delegierte aufgerufen, die Meinungen der anderen im Sinne einer gemeinsamen Lösung anzuhören, zu bewerten und dabei die Meinung des eigenen Kreises zu antizipieren.
Delegierte haben in den Kreisversammlungen das Vertrauen und ein freies Mandat, in sinnvoller Art und Weise an den Kreisentscheidungen teilzunehmen. So können sie aufgrund neuer Erkenntnisse in der Informations- oder in der Meinungsrunde ihre Meinung ändern. Für die getroffene Entscheidung müssen sie sich dann vor dem Team verantworten, wenn sie über das Ergebnis informieren. Dabei ist es hilfreich die Argumente zu einer Entscheidung zu erläutern, die zu einer Meinungsänderung geführt haben.
Findet eine Entscheidung nicht die Zustimmung des eigenen Kreises, so können Delegierte ihren Konsent zurücknehmen und das Thema wieder auf die Agenda setzen. Sie haben dann die Aufgabe, die Argumente darzulegen, die zu einem schwerwiegenden Einwand geführt haben.
Wie wir sehen, ist die Rolle des:der Delegierten sehr fordernd. Delegierte müssen im Prozess mit folgenden Situationen umgehen können:
- in der Anwesenheit des Vorgesetzten offen die eigene Meinung sagen
- sich eine eigene Meinung bilden und möglicherweise trotz vieler Gegenargumente aussprechen
- komplexe Zusammenhänge verstehen, wie sie bei Themen der Unternehmenssteuerung vorkommen können
- Fragen ohne Scham stellen, wenn etwas unklar ist
- auch dann etwas sagen, wenn es bedeutet, dass der gesamte Prozess stoppt (schwerwiegende Einwände)
- auch dann einen schwerwiegenden Einwand geben, wenn es nicht möglich ist die Argumente zu formulieren.
Delegierte müssen immer in offener Wahl gewählt werden. Nur dann erhalten sie das hilfreiche, explizite Vertrauen des Teams und entwickeln durch die entgegengebrachte Wertschätzung das nötige Selbstbewusstsein.
Tipp: Es ist wichtig, die Delegierten in der Ausübung dieser Rolle zu begleiten. Das ist z.B. sehr gut mittels Intervisionsgruppen möglich, in denen mehrere Delegierte über ihre Erfahrungen berichten und sich gegenseitig oder mit Hilfe eines Coachings unterstützen. Die Begleitung ist vor allem dann besonders wichtig, wenn Mitarbeiter:innen als Delegierte im Leitungskreis vertreten sind!
Doppelte Kopplung als Chance für Burnout-gefährdete Manager:innen
Die Rolle von Manager:innen ist oftmals sehr fordernd und nur mit großer emotionaler Anstrengung befriedigend zu erfüllen. So sind klassische Manager:innen oftmals die letzte Instanz für Entscheidungen und tragen die gesamte Verantwortung für die Zielerreichung. Dabei müssen sie den Spagat zwischen effizientem und effektivem Ressourceneinsatz sowie einem produktiven Klima innerhalb der Organisation meistern. Diesen Drahtseilakt alleine zu schaffen, kostet viel Energie und überfordert jedes Jahr zahlreiche Manager:innen. So geben 31% der in einer Erhebung von 2017 durch Hernstein Institut für Management und Leadership befragten Führungskräfte an, sich selbst als stark bzw. teilweise burn-out-gefährdet zu sehen.
Die doppelte Kopplung bietet eine Entlastung des Managements durch die Integration der ausführenden Ebene bereits in der Entstehungsphase von Entscheidungen. Delegierte unterstützen die Leitung nämlich darin, eine bessere praktische Umsetzbarkeit zu gewährleisten. Delegierte tragen zudem die Entscheidung bei ausbleibenden schwerwiegenden Einwänden mit und vertreten dies gegenüber ihrem eigenen Kreis. Dadurch entstehen deutlich weniger Widerstände durch Mitarbeiter:innen, was letztendlich auf alle Unternehmensgruppen einen positiven Effekt hat und es ermöglicht, sich auf positive Dinge zu konzentrieren.
Ausblick
Im nächsten Artikel dieser Serie stellen wir das Prinzip der offenen Wahl vor, mit dem in der Soziokratie u.a. auch Delegierte in Kreisen gewählt werden.
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