04.08.2023
Soziokratie Basisprinzipien: Offene Wahl
In diesem Teil unserer Artikelreihe stellen wir das Prinzip der offenen Wahl vor.
Hast du dich auch schonmal über die Besetzung von Funktionen, Rollen, oder Aufgaben durch Personen geärgert, die offensichtlich nicht die nötigen Qualitäten mitbringen, um diese bestmöglich auszuüben? Oder hast du vielleicht schonmal eine Rolle ausgeübt, bei der dir gar nicht so richtig klar ist, was eigentlich von dir erwartet wird? Oder für die dir keine Wertschätzung entgegengebracht wird? Das führt nicht nur zu Frustration bei allen Beteiligten, sondern auch zu Einbußen in Effizienz und Effektivität hinsichtlich des Erreichens von Organisationszielen. In diesem Teil unserer Artikelreihe möchten wir das vierte Basisprinzip der Soziokratie vorstellen: die offene Wahl. Dabei handelt es sich um ein Wahlverfahren, bei dem nach offener Argumentation über die Besetzung von Rollen konsentiert wird. Mehr zu Soziokratie und den anderen drei Basisprinzipien Entscheidung im Konsent, Kreisstruktur und Doppelte Kopplung erfährst du in unseren vorangegangenen Artikeln.
Hast du dich auch schonmal über die Besetzung von Funktionen, Rollen, oder Aufgaben durch Personen geärgert, die offensichtlich nicht die nötigen Qualitäten mitbringen, um diese bestmöglich auszuüben? Oder hast du vielleicht schonmal eine Rolle ausgeübt, bei der dir gar nicht so richtig klar ist, was eigentlich von dir erwartet wird? Oder für die dir keine Wertschätzung entgegengebracht wird? Das führt nicht nur zu Frustration bei allen Beteiligten, sondern auch zu Einbußen in Effizienz und Effektivität hinsichtlich des Erreichens von Organisationszielen. In diesem Teil unserer Artikelreihe möchten wir das vierte Basisprinzip der Soziokratie vorstellen: die offene Wahl. Dabei handelt es sich um ein Wahlverfahren, bei dem nach offener Argumentation über die Besetzung von Rollen konsentiert wird. Mehr zu Soziokratie und den anderen drei Basisprinzipien Entscheidung im Konsent, Kreisstruktur und Doppelte Kopplung erfährst du in unseren vorangegangenen Artikeln.
Ganz offen miteinander sprechen
Im Wesentlichen läuft die offene Wahl in folgenden Schritten ab:
- Festlegung benötigter Qualifikationen
- Nominierung von Personen
- Meinungsrunde
- Möglichkeit zur Änderung der Nominierung
- Meinungsänderungsrunde
- Konsentierung des Vorschlags für die Rollenbesetzung
Ablauf der offenen Wahl
Bei einer offenen Wahl sollen die Fähigkeiten und Qualifikationen der Kreismitglieder im Vordergrund stehen und nicht etwa Sympathien. Daher sollte zunächst in einer offenen Runde die Rollenbeschreibung vorgestellt werden, falls bereits vorhanden. Die Teilnehmer:innen bekommen Gelegenheit, Verständnisfragen zu stellen und die Rollenbeschreibung zu vervollständigen. Falls noch kein Rollenprofil vorliegt, müssen die benötigten Kompetenzen gemeinsam gesammelt werden. Manchmal ist es sinnvoll, die Rollenbeschreibung zum Konsent zu stellen, um zu überprüfen, ob alle mit dem Anforderungsprofil einverstanden sind.
Ist der Kreis sich über das Rollenprofil einig, sind alle aufgerufen, die Person zu nominieren, die sie am geeignetsten für die Besetzung der Rolle halten (2). Dazu schreiben alle den Namen der von ihnen zu nominierenden Person auf einen Zettel. Man darf sich durchaus auch selbst nominieren, wenn man sich für geeignet hält und das auch gut begründen kann. Haben die Teilnehmenden eine Person aufgeschrieben, drehen alle die Zettel gleichzeitig um. Dabei ist wichtig zu beachten, dass eine Person sich erst am Ende des Prozesses entscheiden darf, eine offene Wahl nicht anzunehmen. Durch die Wertschätzung des eigenen Teams sind Kandidat:innen eher bereit, die Ausübung einer Rolle zu übernehmen, die sie sich sonst vielleicht nicht zugetraut hätten. Damit wird auch „Lawinenverweigerung“ entgegen gewirkt, also dass sich viele Personen aufgrund des Konformitätsdrucks bereits von Anfang an nicht zur Wahl stellen möchten.
Im nächsten Schritt werden die Nominierungen offen vorgestellt. Dazu stellen die Teilnehmenden reihum ihren Vorschlag und die positiven Argumente vor, die sie zur Nominierung bewegt habe (3). Ganz wichtig: die Teilnehmenden beschränken sich auf positive Argumente. Anschließend wird eine zweite Meinungsrunde als Meinungsänderungsrunde durchgeführt, in der die Nominierung nochmal geändert werden kann (4). In dem Fall, dass eine teilnehmende Person aufgrund der Argumente der anderen Teilnehmenden eine Nominierung ändert, können noch die Gründe für den Wechsel genannt werden (5).
Nun muss ein Vorschlag erfolgen, welche der nominierten Personen für die zu wählende Rolle konsentiert (6) werden soll. Normalerweise formuliert die Gesprächsleitung den Vorschlag anhand des vorliegenden Meinungsbilds. Hierbei ist die Gesprächsleitung nicht an das Mehrheitsbild aus den Meinungsrunden gebunden, sondern kann sich aufgrund des Rollenprofils und der gehörten Meinungen für jemand anderes entscheiden.
Nun wird der Vorschlag zum Konsent gestellt (wie die Entscheidung im Konsent funktioniert, kannst du in unserem zweiten Blogartikel nachlesen. Der Konsent erfolgt in zwei Schritten. Zunächst entscheiden alle außer der vorgeschlagenen Person über die Besetzung der Rolle im Konsent. Danach wird die vorgeschlagene Person selber um Konsent gebeten. Wird ein schwerwiegender Einwand gegeben, beschäftigen wir uns mit der Frage, was die Person braucht, um den Vorschlag anzunehmen. Ist es möglich, dem durch Änderung des Anforderungsprofil (z.B. Dauer der Rollenbesetzung) nachzukommen, kann die vorgeschlagene Person erneut zum Konsent gestellt werden. Ansonsten muss ggf. eine andere Person vorgeschlagen werden. Nimmt die Person die Rolle an, dokumentiert der:die Schriftführer:in die Entscheidung im Logbuch des Kreises.
Wie offene Wahlen wirken
Das beeindruckende an offenen Wahlen ist, dass sie gleich eine ganze Reihe von positiven Eigenschaften mit sich bringen. Zunächst einmal sorgt das Verfahren für Transparenz. Alle Beteiligten kennen sowohl die Kompetenzen, die für eine Nominierung erforderlich sind, als auch die Gründe, warum Personen nominiert wurden. Das führt auch dazu, dass die Erwartungshaltungen aller Beteiligten an die Rolle von Anfang an klar sind. Durch die offene Argumentation wird die Kompetenz des gesamten Kreises aktiviert, alle können ihr Wissen mit einbringen und insbesondere auch die Argumente der anderen in ihre eigene Wahl mit einfließen lassen. Die Konsentierung bewirkt, dass die gewählte Person in ihrer Rolle eine hohe Akzeptanz genießen wird, da alle gleichberechtigt in die Entscheidung einbezogen und niemand übergangen wurde.
Zuletzt liegt dem Prozess auch eine tiefe Wertschätzung inne: Das Vortragen der positiven Argumente bedeutet für die nominierten Personen aufgrund des entgegengebrachten Vertrauens eine hohe Wertschätzung und stärkt sie in der Ausübung der Rolle. Das sorgt für eine sehr konstruktive und positive Atmosphäre.
Erfahre mehr über die Wirkung der Soziokratie in Organisationen.
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