18.12.2023
Selbstführung als Bestandteil agiler Führung
Im agilen Umfeld werden Verbesserungen selten in großen Sprüngen, sondern typischerweise in kleinen Schritten erreicht. Für die agile Führungskraft wird in diesem Beitrag gezeigt, wie einer dieser Schritte in Richtung einer offenen Feedbackkultur aussehen kann. Das Gute daran: Keine externen Abhängigkeiten, kein Change-Management-Prozess – man beginnt einfach bei sich selbst.

Wenn Unternehmen „agil werden wollen“, dann bedeutet das häufig die Einführung von Scrum als Projektmethode. Sollen die Scrum Masterinnen und Product Owner ihre neuen Rollen glaubwürdig und wirksam ausüben, dann braucht es ein Führungsverständnis, das die agilen Werte unterstützen muss. Es entsteht die Frage:
„Was machen eigentlich Führungskräfte, wenn Teams sich selbst organisieren, Product Owner die Inhalte vorgeben und Scrum Master sich um den Prozess kümmern?“
Wenn Unternehmen „agil werden wollen“, dann bedeutet das häufig die Einführung von Scrum als Projektmethode. Sollen die Scrum Masterinnen und Product Owner ihre neuen Rollen glaubwürdig und wirksam ausüben, dann braucht es ein Führungsverständnis, das die agilen Werte unterstützen muss. Es entsteht die Frage:
„Was machen eigentlich Führungskräfte, wenn Teams sich selbst organisieren, Product Owner die Inhalte vorgeben und Scrum Master sich um den Prozess kümmern?“
In diesem Zusammenhang sind diejenigen Führungskräfte, denen diese Rolle im Organigramm zugeschrieben wird. In Wirklichkeit sind es aber auch alle anderen Menschen, die in Teams und um Teams herum arbeiten. Alle können Führungskraft sein, denn Führung hat nur am Rande mit Position und Schulterklappen zu tun. Führung ist eine Einstellung, eine Vorbildfunktion, eine Art zu handeln. Wer sich wegweisend verhält, dem folgen Menschen.
Agile Teams brauchen Führung – aber die sieht anders aus als früher
Agile Führung ist ein vielschichtiges Thema: Strukturen gestalten, Mitarbeiter:innen motivieren und entwickeln, Rahmenbedingungen schaffen, Visionen entwickeln und leben und Vieles mehr. In diesem Beitrag geht es um einen konkreten ersten Schritt, um eine direkt anwendbare Maßnahme. Eine erste Antwort auf die Frage:
Wie kann ich meinen Führungsstil ab morgen in Richtung Agilität entwickeln?
Für mich ist eine der wichtigsten Erkenntnisse im Zusammenhang mit Führung die folgende: In letzter Konsequenz kann ich als Person nur mein eigenes Handeln direkt beeinflussen. Auf andere Menschen kann ich nur mittelbar wirken.
Wenn man diese Aussage ernst nimmt, ergeben sich Konsequenzen für den Alltag. Ich kann anderen zwar sagen, was sie tun sollen. Eine Garantie, dass dies zum gewünschten Ergebnis führt, gibt es jedoch nicht. Größere Wirkung hat es, ein Vorbild zu sein, an dem man sich orientieren kann.
In einem anderen Bereich gibt es dazu plakative Beispiele: Kinder spiegeln das Verhalten ihrer Eltern wider. Sie schauen zu, hören zu und ahmen nach. Eine Aufforderung à la „Lass die Schimpfwörter sein, verdammt noch mal!“ wird erfolglos bleiben. Der Ruf durchs Haus „JETZT SEID ENDLICH STILL!“ entbehrt nicht einer gewissen Komik. Wirksamer ist es, wenn Eltern auf die eigene Sprache achten und dabei Schimpfwörter aussparen, bzw. den Weg ins Kinderzimmer auf sich nehmen, um den Wunsch nach Ruhe auch ruhig zu kommunizieren. Der Aufwand ist sicherlich größer, die Erfolgschancen sind es aber auch.
Ich habe sehr gute Erfahrungen damit gemacht, Veränderungen, die ich in meinem Umfeld begrüßen würde, bei mir selbst zu beginnen. Dabei habe ich die Hoffnung, dass mein Verhalten abfärbt und zur Norm wird. Das möchte ich an einem Beispiel verdeutlichen.
Eine offene Feedbackkultur fördern
Ein Aspekt agiler Führung ist eine Umgebung, in der gegenseitige Rückkopplung zur täglichen Interaktion gehört. Zwei der zentralen Werte im Scrum sind Offenheit und Respekt. Das agile Manifest spricht von „Individuen und Interaktionen mehr als Prozesse und Werkzeuge“. Die Idee des Inspect & Adapt sagt, dass man zunächst Transparenz schaffen muss, damit man Dinge untersuchen kann und anschließend Anpassungen vornehmen kann. Im Scrum ist dies fest am Ende jedes Sprints in Form der Retrospektive verankert. Das Entwicklungsteam bespricht dort nicht nur organisatorische, sondern auch menschliche Aspekte. Dafür muss durch den Scrum Master ein sicherer Raum geschaffen werden.
Ich wünsche mir, dass meine Kolleg:innen sich nicht nur in Retrospektiven, sondern durchgängig für gemeinsame Tätigkeiten im Anschluss Feedback einfordern. Ich möchte einen stetigen und offenen Austausch über unsere Arbeit fördern, damit wir schneller besser werden und Probleme sofort transparent machen können. Wie kann ich das erreichen?
VARIANTE 1: „BITTE HOLT EUCH FEEDBACK!“
Ich könnte meine Kolleg:innen bitten, regelmäßig nach Feedback zu fragen oder konkret Feedback anbieten. Damit schaffe ich eine Situation, in der sich die angesprochene Person womöglich dazu überredet fühlt, sich in die verwundbare Position zu begeben, von anderen Kritik zu fordern. Ich habe nicht gezeigt, dass ich überzeugt bin, dass das Feedback respektvoll und wertschätzend ablaufen wird. Das kann mein Gegenüber zu diesem Zeitpunkt nur hoffen.
VARIANTE 2: „BITTE GEBT MIR FEEDBACK!“
Ich könnte meine Kolleg:innen regelmäßig bitten, mir eine Rückmeldung zu meiner Person und meinem Verhalten zu geben. Jetzt bewege ich mich in die vermeintlich verwundbare Position und zeige so, dass ich Vertrauen in meine Kolleg:innen habe, mit mir respektvoll, offen und wertschätzend umzugehen. Ich gebe einen Vertrauensvorschuss. Ich fordere keine Aktion bei anderen, sondern ich lebe vor, was ich mir wünsche.
Der erste Schritt in der Praxis
In manchen Unternehmen kommt es vor, dass Feedback für Führungskräfte über Umfragen abgewickelt, oft anonymisiert, in Metriken verpackt und statistisch ausgewertet wird. Auf diese Weise lässt sich kein Vertrauensverhältnis zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden aufbauen. Ich kann als Führungskraft keine Nachfragen stellen, keine Punkte klären, keine Lösungen anbieten. Hier findet eine Entkopplung zwischen Feedback gebender und Feedback nehmender Person und somit kein Austausch statt. Dieses System verwechselt Offenheit mit Anonymität.
Egal ob Sie Teammitglied sind, Bereichsleiterin, Teamleiter oder Geschäftsführerin – gehen Sie doch morgen zu einer Person für die Sie Führungskraft sind und bitten Sie um konkretes Feedback für sich selbst mit Bezug zur letzten gemeinsamen Interaktion. Machen Sie das zur Gewohnheit und beobachten Sie, ob die Menschen ihrem Beispiel folgen. Bleiben Sie geduldig. Die Änderung wird sich nicht über Nacht einstellen. Kulturwandel braucht Zeit, man muss sich erst an neue Situationen gewöhnen. Eine Sache verändert sich sofort: Ihr eigenes Verhalten.
Wenn Sie ihr neues Verhalten beibehalten, gewinnen Sie Einblick darin wie andere Sie sehen und Sie haben einen (weiteren) Schritt in Richtung offene, wertschätzende und respektvolle Feedbackkultur gemacht.
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