21.07.2023

Retrospektiven wirksam abschließen

Mit Motivation durchstarten und Feedback leben, aber wie? In diesem Beitrag geht es darum, wie Teams ihre Retrospektiven wirksam beenden.

viadee spark Organisationsentwicklung Kudo Cards Kudo Karten schreiben für Kolleg:innen

Das Team hat viele neue Impulse gesammelt, Maßnahmen erarbeitet und sich wieder ein gutes Stück weiterentwickelt. Und jetzt? Tipps für einen runden Abschluss einer Retrospektive und wie sich eine offene Feedback-Kultur auch hier leben lässt.

Das Team hat viele neue Impulse gesammelt, Maßnahmen erarbeitet und sich wieder ein gutes Stück weiterentwickelt. Und jetzt? Tipps für einen runden Abschluss einer Retrospektive und wie sich eine offene Feedback-Kultur auch hier leben lässt.

3, 2, 1 ... Abschluss

Selbstreflexion und Weiterentwicklung bedeuten ein gutes Stück Arbeit. Um sowohl den Effekt einer Retrospektive als auch die Motivation für die Nächste zu erhöhen, gilt es, als Moderator:in einen runden Abschluss zu gestalten. Hierbei stehen drei Aspekte im Vordergrund:

  1. Verbindlichkeit für entwickelte Maßnahmen fördern
  2. Motivation und positive Team-Energie aufbauen
  3. Feedback einholen

Während die ersten beiden direkt auf die anstehende Team-Arbeit einzahlen, so ist Letzteres eine Chance für die moderierende Person, das Team noch besser kennenzulernen und zukünftige Retrospektiven weiter individuell anzupassen.

Verbindlichkeit erhöht den Wirkungsgrad

Die Maßnahmen, die gemeinsam in der Retrospektive entwickelt wurden, gilt es im Anschluss auch in die Tat umzusetzen. Wie genau dies geschieht, sollte zu den individuellen Bedürfnissen und Arbeitsweisen des Teams passen. Wichtig ist nur, dass allen transparent ist, wie das Team die Umsetzung sicherstellt. Wenn ein Team beispielsweise ein physisches Scrum- oder Kanban-Board nutzt, haben wir sehr gute Erfahrungen damit gemacht, die Klebezettel, auf denen Maßnahmen festgehalten wurden, mitzunehmen und auf das Team-Board zu kleben.

Verbindlichkeit

Arbeitet ein Team dagegen mit einem digitalen Board, beispielsweise in Jira oder Trello, so kann auch der:die Moderator:in die Maßnahmen mitnehmen und im Nachgang dort einstellen, damit die jeweiligen Verantwortlichen eine Erinnerungs-E-Mail erhalten und die Maßnahmen digital transparent sind.

Team-Motivation und Miteinander fördern

Team Motivation Zeichnung viadee spark

Neben den konkreten Verbesserungsmaßnahmen, die in einer Retrospektive entwickelt werden, steht insbesondere der Team-Gedanke im Vordergrund. Der Abschluss einer Retrospektive bietet eine ideale Chance, diesen Gedanken nochmals zu fördern und auf das Gemeinschaftsgefühl sowie die damit verbundene gemeinsame und individuelle Motivation einzuzahlen.

Es gibt eine Vielzahl von Methoden, die eine positive Atmosphäre und ein wertschätzendes Zusammengehörigkeitsgefühl fördern. Im Folgenden sind einige Methoden genannt, mit denen wir schon gute Erfahrungen gemacht haben. Für alle gilt, dass die Anmoderation sehr wertschätzend und motivierend sein sollte. Beispielsweise kann man sich als moderierende Person für eine fokussierte Arbeit bedanken und den Blick nach vorne hin auf die nächste Iteration wenden.

YOU AND ME

Bei der „You and me“-Methode kommt jedes Teammitglied einmal zu Wort. Zuerst wird ein Dank an ein anderes Teammitglied („you“) für eine konkrete Tat oder ein Verhalten ausgesprochen. Als Beispiel: „Ich bedanke mich bei XY dafür, dass sie mir immer rechtzeitig Testdaten bereitstellt“. Als zweites wird ein Commitment für ein eigenes Verhalten („me“) ausgesprochen. Beispielsweise „Ich nehme mir vor, in Diskussionen mehr zuzuhören und weniger auf meinem eigenen Standpunkt zu beharren“.

APPRECIATION SHOWER

Bereit für eine warme Dusche? Jedem Menschen tut es gut zu hören, wie andere sich positiv über sie oder ihn äußern. Bei der Appreciation Shower teilt sich das gesamte Team in Dreiergruppen auf. Jede Gruppe setzt sich so auf Stühle, dass sich zwei gegenübersitzen und einer mit dem Rücken zu den beiden gewandt ist. Dann haben die Gegenübersitzenden zwei Minuten Zeit, um sich ausschließlich positiv über das dritte Teammitglied zu unterhalten. Der oder die „Geduschte“ darf einfach zuhören und die positive Rückmeldung genießen. Nach den zwei Minuten wechseln die Rollen, bis jede:r einmal geduscht wurde. Ein Vorteil dieser Methode ist, dass Teammitglieder, die sich unsicher fühlen, wenn sie gelobt werden, einfach zuhören dürfen, ohne eine Regung zeigen zu müssen. Als Variation kann die Dusche vom gesamten Team gegeben werden, was länger dauert, aber jedem und jeder die Möglichkeit eines Feedbacks gibt.

KUDO-CARDS

Kudo-Cards sind kleine Kärtchen mit einer positiven Botschaft, die typischerweise ein Lob enthält. Hat man kein gekauftes Set an Kudo-Cards zur Verfügung, so können einfach kleine Karten verwendet und vor der Retrospektive mit positiven Aussagen wie „Bemerkenswert“, „Danke“ oder „Superheld“ beschriftet werden. Darunter oder auf der Rückseite können nun positive Botschaften an ein anderes Teammitglied geschrieben werden. Als Moderator empfiehlt es sich zu betonen, dass Empfänger und Autor genannt werden. Als Beispiel: „Stefanie, vielen Dank, dass Du immer mit guter Laune morgens ins Büro kommst. Holger“. Vom Ablauf darf jeder Teilnehmer eine Kudo-Karte seiner Wahl ziehen und es gibt eine Timebox von 4 Minuten. Wer mit dem Schreiben fertig ist, pinnt seine Karte an eine Metaplanwand. Zum Abschluss dürfen die Teammitglieder die Karten lesen und jeder darf seine Karten mitnehmen.

MASSNAHMEN-KREATIVITÄT

Ziel dieser Methode ist es, durch gemeinsame, kreative Arbeit das Team-Gefühl zu stärken. Dabei gilt es auf kreative Art und Weise die erarbeiteten Maßnahmen zu visualisieren. Die Aufgabe der Teammitglieder ist es, sich in Dreierteams zusammenzufinden und jeweils ein Plakat zu einer der vorher festgelegten Maßnahmen zu entwerfen. Hierzu erhalten sie acht Minuten und je nach Verfügbarkeit ein Flipchart oder DIN-A4-Papier sowie Stifte. Die Plakate können im Anschluss auch mit in den Team-Raum genommen werden. Ein Vorteil dieser Methode ist, dass neben der gemeinsam ausgelebten Kreativität auch die Maßnahmen nochmals ins Bewusstsein gerufen werden.

Feedback-Kultur leben

Feedback Team Zeichnung viadee spark

Feedback ist für eine kontinuierliche Verbesserung im Team unumgänglich. Um dies zu fördern, kann der Abschluss der Retrospektive vorbildlich genutzt werden, indem man sich als Moderator selbst Feedback einholt. Zudem steckt hierin auch eine Chance, die Retrospektiven weiterzuentwickeln und auf das Team individuell anzupassen.

Nachfolgend einige Methoden, mit denen wir gute Erfahrungen gesammelt haben.

PLUS / DELTA BLITZLICHT

Auf einem Flipchart zeichnet man zwei Spalten, eine mit einem Plus-Zeichen und eine mit einem Delta-Zeichen (einem Dreieck) darüber. Jeder Teilnehmer bekommt nun die Gelegenheit, positive Aspekte der Retrospektive (Plus) sowie Dinge, die man noch besser machen könnte (Deltas), kurz und prägnant zu benennen. Der Moderator schreibt das Genannte als Stichpunkte in die jeweiligen Spalten. Wertungen sollten an dieser Stelle nicht stattfinden, Rückfragen nur dann, wenn ein Punkt tatsächlich nicht verständlich war. Da es erfahrungsgemäß den ersten Teilnehmern manchmal schwerfällt, etwas zu nennen, kann man ihnen nochmals eine Gelegenheit geben, wenn alle Teilnehmer einmal an der Reihe waren. Außerdem können für das Bestätigen von zuvor genannten Punkten einfach Striche hinter den jeweiligen Punkten vermerkt werden.

FEEDBACK-AMPEL

Eine Feedback-Ampel ist eine erweiterte Version des Plus/Delta Feedbacks. Die drei Farben der Ampel stellen dabei jeweils eine Feedback-Kategorie dar:

  • Grün: Ich fand gut, dass …
  • Gelb: Ich schlage vor, dass …
  • Rot: Ich fand nicht gut, dass …

Für die Durchführung bereitet man ein Flipchart mit einer großen Ampel vor. Auf Höhe der Ampelfarben schreibt man die oben genannten Impulssätze. Idealerweise hat man Klebezettel in den drei Ampel-Farben, ansonsten reichen auch normale Klebezettel. Die Teilnehmer sollten nun zum Abschluss der Retrospektive ihr Feedback auf die Klebezettel schreiben und beim Gehen das Feedback ankleben.

METHODEN-VOTING

Manchmal ist es überraschend, welche Retrospektiven-Methoden einem Team mit etwas Abstand besonders gut und welche Methoden gar nicht gefallen haben. Um das herauszufinden, bietet sich ein Methoden-Voting an. Zur Vorbereitung hängt man Bilder der einzelnen Methoden auf eine Metaplanwand. Hat man bei den Retrospektiven Fotos der Methoden gemacht, kann man jeweils eins ausdrucken, alternativ fertigt man kleine Zeichnungen an. Darüber hinaus bedarf es grüner und roter Klebepunkte (alternativ ein grüner und ein roter Stift).

Während der Retrospektive selbst bleibt die Metaplanwand umgedreht. Bevor man die Wand zum Abschluss umdreht, stellt man dem Team die Frage, an welche Retrospektiven sie sich erinnern, die ihnen besonders gut oder weniger gut gefallen haben. Die Antworten werden transparent für alle an einem Flipchart dokumentiert. Um den zeitlichen Rahmen nicht zu sprengen, sollte eine ausgiebige Diskussion vermieden werden. Dennoch empfiehlt es sich als Moderator, nach konkreten Aspekten, die den Teammitgliedern mehr oder weniger gefallen haben, zu fragen und diese festzuhalten.
Zum Abschluss dreht man die vorbereitete Metaplanwand um und die Teilnehmer können beim Verlassen des Raums jeweils einen grünen und einen roten Punkt für die aus ihrer Sicht beste und die am wenigsten gemochte Methode setzen.

Der Mix aus dem freien Feedback und dem Dot-Voting ermöglicht sowohl ein unbeeinflusstes, qualitatives Feedback zu bekommen als auch jeden Teilnehmer nochmals zu einem quantitativen Feedback zu motivieren.

ROTI – RETURN ON TIME INVEST

RoTI ist eine schlanke Methode, um eine Rückmeldung zum individuell wahrgenommenen Nutzen im Verhältnis zur investierten Zeit zu erhalten. Auf einem Flipchart zeichnet man ein Koordinaten-System, bei dem die senkrechte Achse mit „Nutzen“ und die waagerechte Achse mit „Zeit“ beschriftet sind. Eine diagonale Linie wird vom Treffpunkt der Achsen (dem Nullpunkt) nach rechts oben gezeichnet. Die Teilnehmer setzen nun beim Verlassen des Raumes einen Punkt, der widerspiegeln soll, wie viel Nutzen sie im Verhältnis zur investierten Zeit in der Retrospektive empfunden haben. Die Achse steht dabei für ein neutrales Verhältnis. Punkte unter der Diagonalen stehen für zu wenig Nutzen bezogen auf die investierte Zeit. Punkte über der Achse stehen für lohnenswert investierte Zeit.

Tipps für die Abschluss-Moderation

Damit alle Teilnehmer:innen einen bewussten Abschluss erleben, noch ein paar generelle Tipps für die Moderation:

  • Jede:n noch einmal zu Wort kommen lassen, ohne eine neue Diskussion zu starten.
  • Jeder und jedem die Chance geben, Feedback zu äußern, ohne dieses zu kommentieren.
  • Noch einmal Ruhe ermöglichen, um die Retrospektive sacken zu lassen.

Blogreihe zu Retrospektiven

Dieser Artikel ist Teil unserer Blogserie, in der wir Praxiserfahrungen und Hintergrundwissen zu Retrospektiven und bewährten Methoden teilen möchten. Folgende Teile sind bereits erschienen oder erscheinen in den nächsten Tagen:

Teil 1: Retrospektiven – Team-Beschleunigung hoch zwei
Teil 2: Maßnahmen, die verändern und den Wirkungsgrad von Retrospektiven erhöhen
Teil 3: Heute schon gemuckert? Mucker-Karten-Retrospektive
Teil 4: Lean Coffee – Zeit für ein gutes Gespräch
Teil 5: 5 Tipps für eine effektive Retrospektive
Teil 6: High-Performance-Team-Retrospektive
Teil 7: Effektive Retros mit der 4G-Methode
Teil 8: Open-the-Box-Retrospektive
Teil 9: Halloween-Retrospektive in 5 Schritten
Teil 10: Alle Jahre wieder: Die Nikolaus-Retrospektive
Teil 11: Retrospektiven Abschluss

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Autor:Innen

Dr. Benjamin Klatt

Benjamin verbindet bei der viadee und ihren Kunden den Blick auf Technologien und Menschen. Seine Leidenschaft ist die Entwicklung von digitalen Produkten und die Erschließung neuer Arbeitsweisen, Innovationen und Technologien.

Dirk Röber

Dirk Röber ist Agiler und Systemischer Coach. Im Zuge agiler Transitionsprojekte begleitet er Personen, Teams und Organisationen bei ihrem kulturellen Wandel. Darüber hinaus nimmt er auch operative Rollen, wie z.B. Scrum Master oder Product Owner, ein.

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