03.07.2023

Soziokratie Basisprinzipien: Entscheidungen im Konsent

Der Konsent ermöglicht, dass alle Perspektiven in die Entscheidungsfindung einfließen. Dabei ist die Meinung aller Beteiligten gleichwertig und Entscheidungen werden nur unter Abwesenheit schwerwiegender Einwände getroffen.

Konsententscheidung im Konsent, Skizze by viadee spark
  • Du hast keine Ahnung, wie ihr im Team Entscheidungen treffen sollt, ohne dass die Alphatiere die Diskussion beherrschen?
  • Du hast die Nase voll von Top-Down-Entscheidungen, die an der Realität vorbeigehen?
  • Die Zeit erscheint Dir endlos, weil aus der offen geführten Diskussion niemals eine Entscheidung zu resultieren scheint?

Dann lies hier unbedingt weiter, denn die Entscheidungsfindung im Konsent hat als eine der vier Basismethoden der Soziokratie ordentlich Power die oben beschriebenen Szenarien in die Geschichtsbücher zu verbannen. Unseren Auftaktartikel, in dem wir einen kurzen Überblick über alle vier Basisprinzipien gegeben haben, findest du hier: „Gemeinschaftlich Organisationen gestalten mit Soziokratie“.

  • Du hast keine Ahnung, wie ihr im Team Entscheidungen treffen sollt, ohne dass die Alphatiere die Diskussion beherrschen?
  • Du hast die Nase voll von Top-Down-Entscheidungen, die an der Realität vorbeigehen?
  • Die Zeit erscheint Dir endlos, weil aus der offen geführten Diskussion niemals eine Entscheidung zu resultieren scheint?

Dann lies hier unbedingt weiter, denn die Entscheidungsfindung im Konsent hat als eine der vier Basismethoden der Soziokratie ordentlich Power die oben beschriebenen Szenarien in die Geschichtsbücher zu verbannen. Unseren Auftaktartikel, in dem wir einen kurzen Überblick über alle vier Basisprinzipien gegeben haben, findest du hier: „Gemeinschaftlich Organisationen gestalten mit Soziokratie“.

Ablauf der Entscheidungsfindung im Konsent

Die Entscheidung im Konsent läuft im wesentlichen nach vier Phasen ab:
(1) Vorschlag einbringen, (2) Informationsrunde, (3) Meinungsbildung und (4) Konsentformung.

Die vier Phasen der Entscheidungsfindung im Konsent

1. Vorschlag einbringen

Vorschlag einbringen bei der Entscheidungsfindung im Konsent

Die Entscheidungsfindung startet mit einem ausformulierten Vorschlag. Dieser sollte in die Agenda inkl. der entsprechenden Ansprechpartner:innen vor dem Meeting aufgenommen werden, um den an der Entscheidungsfindung beteiligten Kreisen die Möglichkeit zu geben, sich hierzu eine Meinung zu bilden und diese ihren Delegierten bzw. Kreisleiter:innen mit zu geben. Die Ansprechpartner:innen können bei Rückfragen vorab kontaktiert werden. Im Meeting stellt dann der:die Ansprechpartner:in den Vorschlag vor.

2. Informationsrunde

Während der Informationsrunde werden die Fragen der Teilnehmenden zum Vorschlag geklärt. Die Fragen in der Informationsrunde können je nach Anzahl Beteiligter spontan oder bei vielen Wortmeldungen auch reihum gestellt werden. Erst wenn keine Fragen zum Vorschlag mehr offen sind, wird zur Meinungsbildung übergegangen. Antworten zu den Fragen kann prinzipiell jede:r äußern, in der Praxis ist es oft die Person, die den Vorschlag gemacht hat. Die Antworten zu den Fragen sollten mit dem Vorschlag visualisiert werden, damit die Teilnehmenden die Informationen im folgenden Prozess stets vor Augen haben.

Informationsrunde bei der Entscheidungsfindung im Konsent

Durch ausreichend Raum für Verständnisfragen wird sichergestellt, dass alle Teilnehmenden den Vorschlag verstanden haben, bevor sie ihre Meinung äußern. Achte als Gesprächsleiter:in darauf, dass Teilnehmende nicht ihre Meinung in eine Verständnisfrage einbauen. Beispiel: „Ist es nicht so, dass wir durch diese Vorgehensweise viel zu hohe Kosten verursachen?“. Weise freundlich darauf hin, dass ausreichend Raum zur Meinungsäußerung besteht. Wenn im späteren Verlauf der Entscheidungsfindung noch Fragen auftauchen, dürfen diese immer gerne gestellt werden.

3. Meinungsbildung

Zur Meinungsbildung fragt der/die Gesprächsleiter:in reihum alle Teilnehmenden, was sie über den Vorschlag denken und wie es ihnen damit geht. Redebeiträge sollten dabei zeitlich ausgeglichen sein, um eine gleichberechtigte Redeatmosphäre zu schaffen und wortreiche Beiträge von Alphatieren zu straffen. Die Meinungen können auch mit Stichworten visualisiert werden. An die erste Meinungsrunde schließt sich eine zweite Meinungsrunde an.

Meinungsbildung bei der Entscheidungsfindung im Konsent

In der zweiten Meinungsrunde haben die Teilnehmenden die Möglichkeit, ihre Meinung aufgrund der Beiträge der anderen Kreismitglieder aus der ersten Meinungsrunde nochmal zu ändern.  Meistens sind zwei Meinungsrunden ausreichend.

Hat sich ein deutliches Meinungsbild ergeben, so kann der vorliegende Vorschlag entsprechend angepasst werden. Der angepasste Vorschlag ist in jedem Fall für alle Teilnehmenden sichtbar zu machen, damit für alle Klarheit herrscht wozu sie im nächsten Schritt ihren Konsent geben sollen

4. Konsentformung

Der vorliegende Vorschlag wird nun zum Konsent gestellt. Alle Teilnehmenden werden dazu aufgefordert, gleichzeitig per Handzeichen ihren Konsent zu geben. Die Teilnehmenden haben drei Antwortmöglichkeiten:

Konsent

Zustimmung – Daumen hoch:
man ist vollkommen zufrieden mit dem Vorschlag.

Einfacher Einwand – eine Hand erhoben:
Ein einfacher Einwand bedeutet, dass man noch eine Anmerkung zum formulierten Vorschlag hat, man die Entscheidung aber mitträgt – egal ob mit oder ohne Berücksichtigung des Einwands. Die Entscheidung kann getroffen werden. Der Einwand kann (muss aber nicht) gehört und ggf. integriert werden.

Kein Konsent

schwerwiegender Einwand – beide Hände erhoben:
Der schwerwiegende Einwand wird dann gegeben, wenn der vorliegende Vorschlag die Vision, Mission, Ziele oder die vereinbarten Werte in Gefahr bringt. Im Falle des schwerwiegenden Einwands wird eine Begründung bei der Person erfragt, die den Einwand gegeben hat, z.B. „Was benötigst du, damit du deinen Konsent geben kannst?“. Der Vorschlag wird entsprechend der Begründung angepasst und erneut zum Konsent gestellt. Es kann sinnvoll sein, mit dem angepassten Vorschlag nochmal eine Meinungsrunde durchzuführen.

Es kann solange keine Entscheidung getroffen werden, wie mindestens eine Person ihren schwerwiegenden Einwand aufrecht erhält. Ob ein Einwand schwerwiegend ist oder nicht, entscheidet allein die Person, die den schwerwiegenden Einwand gegeben hat – unabhängig von Rang und Namen. So wird das Prinzip der Gleichberechtigung erfüllt. Der schwerwiegende Einwand darf in keinem Fall von der Kreisleitung oder irgend jemand anderem überstimmt werden!

Sind alle schwerwiegenden Einwände ausgeräumt und wurden zurück genommen, ist der Beschluss gefasst und kann in einem Logbuch dokumentiert werden.

Konsent für Eilige

Es stellt sich zwangsläufig die Frage, ob man bei jeder kleinen Entscheidung zwei Meinungsrunden durchführen muss. Ganz klares Nein: Die soziokratischen Methoden sind generell nicht als Dogma zu verstehen. Daher sind sinnvolle Lösungen zu suchen. Möchte die Gesprächsleitung etwa die Zustimmung zur Agenda zum Beginn eines Meetings einholen, so reicht eine Vorstellung und ggf. die Gelegenheit für Fragen und eine kurze Rückmeldung per Handzeichen. Ist das Meinungsbild nach der ersten Runde sehr klar, so kann die zweite Meinungsrunde auch ausgelassen werden.

Warnung: Mache als Gesprächsleiter:in deinem Team transparent, dass ohne die Meinungsrunde das Wissen des Teams nicht miteinander geteilt wird. So wird die Entscheidung ggf. auf einer dünneren Informationslage getroffen als mit Meinungsrunde. Was für eine Agenda in Ordnung sein mag ist für Entscheidungen mit Auswirkungen auf das Team oft nicht ratsam. Daher solltest du genau abwägen, ob das Weglassen einer Meinungsrunde sinnvoll ist oder nicht und das Vorgehen im Kreis abstimmen. 

The Power of Consent

Die Entscheidung im Konsent bietet eine Reihe von Vorteilen gegenüber anderen Methoden zur Entscheidungsfindung:

  • Sicherstellung des gemeinsamen Verständnisses des Vorschlags vor der Meinungsäußerung
  • Niemand wird übergangen – alle Teilnehmenden erhalten in der Meinungsrunde die explizite Möglichkeit, ihre Meinung zu äußern.
  • faire Verteilung der Redeanteile und Integration der Kompetenzen im Team in den Meinungsrunden
  • Verteilung der Macht durch das gleichberechtigte Entscheidungsprinzip – ungeachtet der hierarchischen Stellung.
  • Entscheidung aufgrund von Kompetenzen und überzeugenden Argumenten statt hierarchischer Machtverteilung.

Durch die Verwirklichung dieser Grundsätze in der Konsentierung wird eine wertschätzende und respektvolle Kultur der Gleichwertigkeit gestärkt. Das wirkt sich positiv auf das Teamgefühl aus und es entsteht ein wohlwollendes, produktives Miteinander.

Durch den Respekt vor schwerwiegenden Einwänden werden Widerstände abgebaut, da jeder die Möglichkeit hat, einen solchen zu äußern. Die Entscheidungsfindung wird ruhiger, entspannter und geordneter.

Durch die geordnete Meinungsäußerung reihum haben alle Teilnehmenden die Sicherheit, dass Sie einen Beitrag liefern können. Sie können die Zwischenzeit nutzen, um anderen Beiträgen zuzuhören, statt auf eine Gesprächspause zu lauern, um dann den eigenen Beitrag loszuwerden. Die Entscheidung ist als solche klar durch alle Teilnehmer:innen erkennbar und durch die spätere Dokumentation im Logbuch für alle Kreismitglieder transparent.

Durch die gleichberechtigte Entscheidungsmethode schaffen wir ehrliche Beteiligung. Dies unterstützt die anschließende Konzentration auf die Umsetzung der Entscheidung, statt der Arbeit am Abbau von Widerständen gegen Entscheidungen an denen Betroffene nicht beteiligt waren.

Ausblick

Erfahre mehr über die Wirkung der Soziokratie in Organisationen. In den nächsten Artikeln dieser Reihe wollen wir die Basisprinzipien der Kreisstruktur, der doppelten Kopplung und der offenen Wahl vorstellen.

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Autor:Innen

Gero Zimmer

Gero Zimmer ist Berater für Agilität und Prozessautomatisierung. Er begleitet Teams bei agilen Veränderungsprozessen und unterstützt Kunden als Integrationsarchitekt bei der Digitalisierung von Prozessen.

Michael Effertz

Er engagiert sich dafür, Teams mit modernen, gemeinschaftlich geprägten Arbeitsweisen zu mehr Zufriedenheit im Job zu verhelfen. Dabei vermittelt Michael mit Methoden der Soziokratie viel Klarheit in partizipativen Strukturen.

Soziokratie kennenlernen

Mit Entscheidungsfindung im Konsent neue Wege der Zusammenarbeit erleben:

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